Neuoffenbarung und Bibel
vor dem Hintergrund ihrer Entstehung


Welche Anforderungen man an einen Text stellen müsste, der direkt von Gott diktiert wurde, war Inhalt der vorangegangenen Kapitel. Die Anforderungen an historische Texte von verschiedenen Zeitzeugen, wie in der Bibel, unterscheiden sich davon grundlegend:



Entstehung

Bibel:

Um das Jahr 30 trat in Israel Jesus für wenige Jahre öffentlich in Erscheinung. Wie für einen Rabbis damals üblich, hatte er Jünger, also Schüler, die er lehrte. Jesu Hinrichtung zerstörte zunächst die in seine Person gesetzten Hoffnungen auf eine politische Veränderung. Die Auferstehung (und später Pfingsten) entfesselten jedoch in Jesu Jüngern die Auferstehungshoffnung, die Christen heute noch bezeugen.
Auf der Grundlage der Erlebnisse dieser Jünger wurden die Schriften des neuen Testamentes, insbesondere die Evangelien, geschrieben. Es sind also Zeit- und Augenzeugenberichte.
Neuoffenbarung:

Die Neuoffenbarung wurde medial als theosophisch-neugnostische Lehre empfangen. Die Neuoffenbarung ist also ein parapsychologisches Phänomen.



Bedeutung von Gewalt und zweifelhafter Ethik

Bibel:

Die Gewaltorgien der Bibel, besonders des alten Testaments sind bekannt. So verwerflich diese Greueltaten waren, zumindest werden sie in der Bibel nicht verschwiegen. Man begegnet in der Bibel auch Menschen, die für sich in Anspruch nehmen, die Gewalt im Namen Gottes zu begehen. Und man begegnet den damals üblichen Gesetzen, die natürlich nicht mehr unseren humanistisch-christlichen Vorstellungen entsprechen. Nichts wird beschönigt, nichts bereinigt und selbst die Verbrechen der Helden werden schonungslos aufgedeckt und überliefert. Die Bibel ist hier Zeitzeuge menschlicher Abgründe, denen auch Jesus selbst schließlich zum Opfer fiel.
Neuoffenbarung:

Jesus konnte in der Bergpredigt noch zu Teilen der Bibel sagen "Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Auge um Auge, Zahn um Zahn.« Ich aber sage euch...", eine solche Klarstellung macht keinen Sinn mehr, wenn die Neuoffenbarung von Jesus selbst stammt. Die Sexualethik, Gewaltanwendungen oder der Antisemitismus kann deshalb nur als Missverständnis oder Zeitgeist verstanden werden, wenn man eingesteht, dass die Neuoffenbarung nicht von Gott stammt.



Bedeutung wissenschaftlicher Fehler

Bibel:

Versuche, die Welt naturwissenschaftlich zu erklären, finden sich in der Bibel nicht, da diese Argumentationsweise den Menschen fremd war. Beschrieben wird im Wesentlichen Geschichte und Heilsgeschichte. Die Weltsicht der Bibelschreiber wird zwar an verschiedenen Stellen sichtbar, ihre Heterogenität jedoch angesichts der religiösen Grundfragen durchgehend ignoriert. Ein Interesse an einer einheitlichen naturwissenschaftlichen Beschreibung der Welt bestand offenbar nicht.
Neuoffenbarung:

Die Neuoffenbarung tritt besonders in den sogenannten Naturevangelien mit dem Anspruch auf, wissenschaftliche Fakten zu präsentieren, zu korrigieren und Zusammenhänge zu erklären. Auch hier weckt das Scheitern an so einfachen Beschreibungen wie den Polargegenden Zweifel. Wie die Neuoffenbarung selbst sagt, sollte es der "Meister aller Dinge" eigentlich wissen.



Bedeutung innerer Widersprüche

Bibel:

Identische Zeugenaussagen sind unglaubhaft. Es ist kaum anzunehmen, dass Augenzeugen, (insbesondere in Extremsituationen) auf jedes Detail derart achten, dass ihre Aussage im Nachhinein eine fotographische Rekonstruktion ermöglicht. Vor Gericht weisen bis in jedes Detail identische Zeugenaussagen eher auf Absprachen hin.
Detailunterschiede zwischen Darstellungen verschiedener Schreiber relativieren also nicht die grundsätzlichen Zeugenaussagen. Es ist kaum anzunehmen, dass die Augenzeugen bei selbst erfundenen Berichten geblieben wären, wenn sie damit ihr Leben aufs Spiel setzen.
Neuoffenbarung:

Wenn die Neuoffenbarung von Gott diktiert wurde, sollten keinerlei Widersprüche auftreten, denn es handelt sich nur um einen Autor dem man zudem ein gutes Gedächtnis unterstellen können sollte.



Peinlichkeiten

Bibel:

Es mag paradox klingen, aber gerade die peinlichen Stellen der Bibel sind das stärkste Argument für deren Glaubwürdigkeit:
In erfundenen Evangelien und gefälschten Briefen würden sich die Apostel selbst als Helden darstellen und nicht als begriffsstutzige Chaoten. Petrus wäre kein Feigling und Paulus kein Mörder.
Wären Matthäus, Markus, Lukas und Johannes nicht die Autoren, hätte man sich auch wohl kaum auf (korrupte) Zöllner und Externe berufen, sondern gleich ein (Gottesmutter) Mariaevangelium, ein Petrusevangelium oder gleich ein Jesusevangelium geschrieben.
Wäre die Auferstehung ein Mythos, hätte man die Frauen nie als Zeugen genommen, denn das Zeugnis von Frauen galt damals nicht…
Es gibt nur eine Erklärungsmöglichkeiten für all die Peinlichkeiten in den Evangelien: Es war eben so.
Neuoffenbarung:

Wenn Gott sich selbst – wie in der Neuoffenbarung – mit den Attributen Hass, Bösartigkeit, Finsternis und Lüge beschreibt, so könnte dass natürlich auch schlicht der Wahrheit entsprechen. Es würde auch viele andere Stellen der Neuoffenbarung (Grausamkeiten von Jesus gegenüber seinen Mitmenschen, Rechtfertigung von Vergewaltigung, etc.) erklären.

Aber wer würde solch einem Gott beim Lesen der Neuoffenbarung vertrauen?



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